Im Osten viel Neues
Wer Ostdeutsche nicht integrieren kann, sollte die Finger von Migranten aus dem Nahen Osten lassen
In westdeutschen Redaktionsstuben hat sich ein neuer Volkssport etabliert: Den Ossi erklären. Da ja nicht sein kann, was ist, muss sich angesichts der Wahlerfolge der AfD im Osten der deutschen Bundesrepublik ja irgendeine Erklärung finden lassen, was bei diesen Ossis so alles falsch gepolt ist, dass sie anders wählen als der westliche Teil des Landes.
Es sind die immergleichen Floskeln, die man in diesen Tagen besonders häufig hört und die sich nun verstärkt als hilflose Erklärungsversuche durch alle Interviews von Politikern und Kommentare von Journalisten ziehen. Der Ossi, das unbekannte Wahl-Wesen, gilt in weiten Teilen des Großkotzwestens als leicht begriffsstutzig, dumpf rechtsradikal oder wahlweise als Gefangener unbegründeter Ängste. Nicht nur Friedrich Merz tappte bereits im Frühjahr dieses Jahres mit Sätzen wie „Man muss im Osten mehr erklären als im Westen, das ist wahr, aber ich tu es gerne“ tief in den Erklärbär-Fettnapf.
Der Wähler im Osten braucht keine Erklärung in einfacher Sprache, er will eine andere Regierung
Auch der Generalsekretär der SPD Kevin Kühnert erklärte das Debakel seiner eigenen Partei und die Klatsche für die gesamte Ampel-Koalition damit, man müsse besser kommunizieren und dass viele die Entscheidungen „nicht verstanden“ hätten, die man in der Bundespolitik getroffen hätte. So, als wäre nicht das, was die Ampel tut das Problem, sondern nur die Art, wie man es an den Mann, wahlweise die Frau und den geschlechtlich Unentschlossenen bringt. Da ist er wieder, der begriffsstutzige Ossi, der einfach intellektuell nicht mitkommt bei dieser doch so gut mit ihm meinenden Politik.
Was schlicht breitflächig negiert wird: Der Wähler im Osten braucht keine neue Kommunikation in einfacher Sprache, er will schlicht eine andere Regierung. Er wählt die AfD nicht deswegen, weil ihm die großartige Ampel-Politik nicht gut genug kommuniziert wurde, sondern weil er sie, ganz im Gegenteil, sehr genau verstanden hat. Und er will sie einfach nicht.
Am Morgen danach formulierte auch der in Sachsen gerade noch mit 1,4 Prozent Vorsprung zur AfD an einem Desaster vorbeigeschrammte CDU-Ministerpräsident Michael Kretzschmar in einem Interview, die Menschen wendeten sich von der Demokratie ab und sie seien enttäuscht. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es gab sogar eine extrem hohe Wahlbeteiligung in beiden Ost-Ländern, die Wähler wenden sich keineswegs ab von der Demokratie – sie nutzen sie schlicht.
Ist es nicht das, was man ihnen seit Jahren predigt? Sie sollen sich beteiligen, mitmachen, „unsere“ also genaugenommen ihre eigene Demokratie schützen? Wie könnte man es besser tun als mit einer starken Beteiligung am elementarsten Werkzeug der Demokratie, der freien Wahl? Geht er nicht zur Wahl, gilt der Wähler also als „wahlverdrossen“, geht er sogar zahlreich hin, wendet er sich angeblich ab? Ja, das Ergebnis dieser Abstimmung ist nicht das, was sich die gerade Regierenden gewünscht haben, es ist aber anmaßend zu behaupten, jeder, der die AfD wählt, wende sich von der Demokratie ab. Er hat sie stattdessen sogar so gut verinnerlicht, dass er sie zu seinen Gunsten sehr strategisch nutzt.
Historisch höchste Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung war historisch hoch mit 73,6 Prozent in Thüringen und 74,4 Prozent in Sachsen. Noch nie (!) seit der Deutschen Wiedervereinigung sind so viele Sachsen wählen gegangen. In Thüringen gab es nur 1994 mit 74,8 Prozent schon einmal eine ähnlich hohe Wahlbeteiligung, danach sackten die Werte in allen ostdeutschen Bundesländern runter. Nur zum Vergleich: In den angeblichen Hochburgen der Verteidigung „unserer Demokratie“ wie etwa NRW, war die Wahlbeteiligung zuletzt bei der Landtagswahl 2022 nur bei 55,5 Prozent. In Bremen zuletzt bei 56,9 Prozent und bei allen anderen Bundesländern bei 60er-Werten. Allein Bayern schafft Werte über 70 Prozent.
Das hohe Interesse der Bürger an der Politik und ihre sogar außergewöhnlich hohe Beteiligung an den Wahlen jetzt als „Enttäuschung“ oder gar „Abwendung“ von der Demokratie oder gar als “undemokratisch” zu kommentieren, ist eine völlige Verkehrung der Realität. Das Volk braucht auch keine weiteren Unterweisungen und staatlich finanzierten Demokratie-Programme wie „Demokratie leben!“, mit denen ihnen das richtige Wahlverhalten von staatlicher Seite beigebracht werden soll, es hat bereits eine Meinung und tut sie kund.
Die Arroganz des Westens ist ungebrochen
Das Problem ist also nicht das Volk, das von seinem demokratischen Wahlrecht und seinen grundgesetzlich garantierten Verfassungsrechten wie etwa der Wahlfreiheit und der Meinungsfreiheit Gebrauch macht, das Problem ist stattdessen eine regierende Klasse, die wahlweise wie eine beleidigte Leberwurst oder wie ein arroganter Schnösel jedes Wahlergebnis, das ihr nicht gefällt, als Demokratieverweigerung wegwischt.
Man kann es auch als Emanzipationsbewegung des Ostens lesen, wenn sie ihr Wahlverhalten nicht mehr an Faktoren wie Dankbarkeit oder am großen Bruder aus dem Westen ausrichtet.
Die Arroganz des Westens scheint derweil ungebrochen. Am Samstag vor den Landtagswahlen im Osten wurde ich beiläufig, weil mit dem Wagen im Stau stehend, von einem WDR-Radiobeitrag nahezu exemplarisch von der Denkweise westlicher Nachwuchsjournalisten überfallen, die zwar wahrscheinlich erst nach der Deutschen Einheit geboren wurden, aber per Ferndiagnose den Ostdeutschen analysierten und ihn bewerteten. Man orakelte dort gemeinsam mit einem Spiegel-Redakteur über die Gefahr, dass es ja passieren könnte, dass die AfD zweitstärkste Kraft würde und was dies dann für Konsequenzen habe.
Es bestand unter den beiden Herren sofort Einigkeit, dass über ein Drittel der Ostbevölkerung offensichtlich das „westliche Wertesystem“ ablehnt. Es folgte die Empfehlung an die Westdeutschen, dass man doch diese ganzen schönen Städte im Osten besuchen soll, die seien wirklich toll und nicht zuletzt seien diese schließlich mit dem Geld aus dem Westen so schön geworden und das wüssten wohl ganz viele Leute in der DDR nicht mehr. Mehr klassisch-arrogantes Wessi-Gehabe war fast nicht möglich. Frei nach dem Motto: Sei mal ein bisschen dankbarer, lieber Ossi, schließlich haben wir viel Geld in dich investiert.
In dieselbe abgehobene Denkweise passt der (inzwischen gelöschte Tweet) des Correctiv-Mitarbeiters Marcus Bensmann, der ebenfalls angesichts erwartbarer Wahlergebnisse im Osten öffentlich darüber sinnierte, ob man dann nicht „lieber über eine Trennung nachdenken“ sollte. Es könne schließlich nicht sein, dass eine Mehrheit der ehemaligen DDR-Bürger, die nur ein Sechstel der Gesamtbevölkerung stellen, das „Erfolgsmodell der Bundesrepublik zerstören“. Die Tschechoslowakei habe es vorgemacht.
Ja, werft die undankbaren, braunen Ossis einfach wieder raus, lasst uns die Deutsche Einheit wieder rückabwickeln! Remigration für Ossis jetzt! Auch die Demokratieretter bei Correctiv sind nicht zimperlich mit der Remigration, wenn es aus ihrer Sicht nur die Richtigen trifft.
Und forderte nicht der Pausenclown Jan Böhmernmann gerade erst in einem Beitrag in der Zeit „neue Gräben“ zu den „Menschen von Gestern“ auszuheben? Die einen schaufeln Gräben, die nächsten bauen Brandmauern, die Dritten träumen von Ossi-Remigration – Hauptsache die Andersdenkenden sind gesellschaftlich raus.
Alle sind integrierbar - außer die Ostdeutschen
Man hält also den Ossi für nicht integrationsfähig im freien Westen, weil er partout nicht das tun und das wählen will, was der besorgte Wessi will – und glaubt gleichzeitig, man könne Millionen Menschen aus dem Nahen Osten ins (west-)deutsche Wertesystem integrieren und die würden sich dann als mustergültige Bürger entpuppen? Welches Wahlverhalten erwartet man denn in der Fraktion des Gutmenschentums von den Millionen bald eingebürgerter, illegaler Migranten aus Afghanistan, Syrien und Afrika, die bereits heute offen auf deutschen Straßen das Kalifat fordern und mit mittelalterlichen Waffen die Straßen verunsichern? Glaubt jemand die wählen dann Grün oder Rot oder Gelb?
Wenn erst einmal die halbe Welt ein Wahlrecht in Deutschland besitzt, sind der Ostdeutsche und die AfD tatsächlich unser geringstes Problem. Genaugenommen sehen immer mehr Deutsche angesichts dieser Zustände in genau dieser AfD den einzigen Garanten, diesen Wahnsinn zu stoppen. Jemand sollte das einmal in einfacher Sprache in die Parteizentralen von CDU, CSU, Grünen, Linken und SPD kommunizieren.
Man ist also bereit, die Integration mit jedem illegalen Migranten „täglich neu zu verhandeln“, wie es die ehemalige SPD-Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz einst so schön formulierte. Man ist bereit, diese Verhandlungen mit allen anderen Religionen, allen anderen Kulturen und in unzähligen Sprachen zu tun, man verhandelt aber nicht mit dem deutschen Ossi.
Dieser hat sich als Einziger gefälligst bedingungslos in die west-deutsche Leitkultur zu integrieren, denn seine ostdeutsche Geschichte, Kultur und auch Totalitarismus-Erfahrung ist hier nachrangig zu behandeln, während die Rückabwicklung elementarer Frauenrechte auf der Basis totalitärer religiöser Ansichten orientalischer Lehmhüttenkulturen einen Teil erwünschter kultureller Vielfalt darstellt. Gut, wenn das jetzt alle verstanden haben. Nicht nur im Osten. Der Umgang mit dem Wahlergebnis in Thüringen und Sachsen zeigt exemplarisch die Doppelmoral, mit der hier agiert wird.
Wäre der Ossi ein Ausländer müssten sich alle, die heute über ihn herfallen konsequenterweise als Rassisten bezeichnen lassen, weil sie ihn ablehnen, beschimpfen, wahlweise aus dem Diskurs oder gleich aus dem Land rauswerfen wollen.
Bleibt noch die Frage, wählen die Ostdeutschen denn wirklich so anders? Niemand kann durch Landtagswahlen in Westdeutschland gerade die Stimmungslage des Volkes auf die Probe stellen, weil schlicht keine anstehen und ich wage die Vermutung, dass nahezu alle Landesparteizentralen von Grünen, Liberalen und Linken darüber gerade sehr glücklich sind, weil alle ahnen, dass der Ost-Trend auch auf den Westen längst hinüberstrahlt.
Laut Ergebniskarte nach den Europawahlen, die genauso als Stellvertreterwahl für die Stimmungslage des Volkes gegenüber seiner Regierung gewertet werden kann, hat die CDU im Westen und die AfD im Osten die Wahlkreise mit Mehrheiten gewonnen. Das Land ist aufgeteilt in eine schwarz-blaue Karte.
Die AfD etabliert sich gerade als CDU des Ostens, der Wunsch nach wertkonservativer Politik ist aber auf beiden Seiten da. Rot, Grün, Gelb spielen keine Rolle und kamen schon bei der Europawahl zusammen nur noch auf eine Handvoll Stimmen.
Das Volk wünscht eine konservative Regierung, die Rückkehr zu Recht und Ordnung. Es will Sicherheit auf den Straßen und bezahlbare Energie. Es lehnt Klimahysterie genauso ab wie die Auswüchse genderbewegter Idiotenstudiengänge. Das Volk braucht jedoch ganz sicher keine Politik, die ständig von „unserer“ Demokratie redet, so als habe sie einen alleinigen Besitzanspruch oder ein Erbrecht auf sie.
Die Demokratie ist im Osten nicht gefährdet, sie wird dort verteidigt, sie ist lebendig, hat sich artikuliert und nicht einschüchtern lassen, obwohl man den Wählern mit Beschimpfungen, Drohungen, Beleidigungen und Ausgrenzungen begegnete. Das Wahlergebnis muss einem nicht gefallen, aber man kann den Ostdeutschen zu ihrem Demokratieverständnis jedenfalls nur gratulieren.
die Sachsen und Thüringer haben in freier und geheimer Wahl bei einer sehr hohen Wahlbeteiligung gewählt. Sie wollten die noch amtierende Ampel in Berlin abstrafen, ein Zeichen setzen. Das ist klar erkennbar. Alle drei Ampelparteien zusammen haben dort nur noch 15%. Die Regierung in Berlin müsste abtreten.
Es lag bestimmt nicht daran, dass die Ampelpolitik nicht gut genug erklärt worden sei und was dergleichen Ausreden mehr sind. Nein, die Regierungsparteien sollten abgewählt werden. Wie sieht es für mich als Wähler aus, wenn ich die Regierung abwählen will? Ich wähle die Alternative bzw. die Opposition. Das wäre die CDU mit rund 30 Prozent oder die AfD mit ebenfalls rund 30%. Eine satte bürgerliche Mitte-Rechts-Mehrheit also. Jetzt kommt aber die kindische und völlig undemokratische Brandmauer ins Spiel. Die CDU kann nur mit den abgewählten Parteien koalieren. Denn sie ist bei 30% festgeklebt, kann alleine niemals die Mehrheit erreichen. So lange sich die CDU an diese Brandmauer hält, ist sie dazu verdonnert, mit einer der Linksparteien zu koalieren, die aber keiner will. Deshalb kommt sie auch nicht über 30 Prozent.
Ich vermute, bei der AfD sind etwa 50% vernünftige Leute, während die anderen 50% irgendwelchem völkischen und rassistischem Blödsinn anhängen. Wenn die CDU den Wählerwillen respektieren wollte, müsste sie versuchen, die völkischen Blödrassisten in der AfD zu isolieren, um mit den vernünftigen 50% koalieren zu können. Sobald solche Bestrebungen bekannt würden, hätte die CDU enormen Zulauf, weil man dann wüsste, dass sie eine echte Opposition sein will und bei der nächsten Wahl mit bürgerlich-konservativen Werten eine Mehrheit bilden kann.
Das wäre aus meiner Wählersicht eine demokratische Vorgehensweise.
Schöne Grüße
Walter Schiel
Urftstraße 64
41239 Mönchengladbach