No Brick in the Wall
Die Mehrheit hätte die CDU gerade im Bundestag mithilfe der Liberalen und der AfD. Merz geht stattdessen auf Nummer sicher und erneuert lieber die „Brandmauer“
Deutschland erwartet am 23. Februar 2025 Neuwahlen, die Regierung Scholz ist gescheitert. Längst sind alle Parteien im Wahlkampfmodus, was sich im deutschen Bundestag aus Anlass einer überfälligen Regierungserklärung des Kanzlers am 13. November entlud. Die CDU läuft auf ein sicheres Kanzleramt hin, wagt es jedoch nicht, das aktuelle Machtvakuum von Olaf Scholz und seiner Minderheitenregierung zu einem Kurswechsel in der Wirtschafts-, Energie- und Migrationspolitik zu nutzen. Die Mehrheit hätte er gerade im Bundestag mithilfe der Liberalen und der AfD. Merz geht stattdessen auf Nummer sicher und erneuert lieber die „Brandmauer“.
Der Showdown zwischen dem Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz und den anderen Parteien begann am diesem Mittwoch im deutschen Bundestag mit einer Debatte zur Geschäftsordnung. Vor allem die kleinen Parteien sind empört. Die CDU hatte bereits angekündigt, ab sofort die Tagesordnung des Parlaments zu blockieren, doch ohne Tagesordnung ab sofort keine beschlussfähige Parlamentsarbeit mehr. Es droht eine weitgehende Blockade des Parlaments bis zu den Neuwahlen in gut drei Monaten. Die Änderungsanträge der AfD, BSW und der Linken werden abgeschmettert. Das Spiel der Schuldzuweisungen begann, noch bevor der Kanzler zu seiner Regierungserklärung ans Rednerpult trat.
Noch am 10. November schrieb Friedrich Merz in seiner wöchentlichen Rundmail: „Wenn sich der Bundeskanzler noch einen Rest von Respekt vor den Institutionen unseres Staates bewahrt hat, dann stellt er in dieser Woche nach seiner Regierungserklärung am Mittwoch die Vertrauensfrage. Alles andere ist eine weitere, inakzeptable Beschädigung des Amtes.“ Keine zwei Tage später haben sich SPD, Grüne und CDU nach Scheitern der Ampelregierung bereits auf Neuwahlen am 23. Februar 2025 geeinigt. Scholz hat zugesagt, nun doch nicht erst am 15. Januar 2025, sondern früher, und somit am 11. Dezember, die „Vertrauensfrage“ im Bundestag zu stellen, damit der Bundespräsident anschließend das Parlament auflösen kann.
CDU zwischen Kuschelkurs und Angriff
Das gesamte Prozedere ist insgesamt ein seltsamer Vorgang; die CDU ging in den vergangenen Tagen abwechselnd auf Angriff und Kuschelkurs mit ihren potenziellen neuen Koalitionspartnern, anstatt die Gelegenheit im Parlament zu nutzen, um als stärkste Oppositionskraft zusammen mit der FDP und der AfD ein paar echte Kurswechsel vorzunehmen, für die man derzeit eine Mehrheit hätte. Konkret könnte eine Allianz aus CDU, FDP und AfD die Atomkraft-Politik revidieren und damit die Energiewirtschaft Deutschlands wieder weg von den Klimazielen der Grünen bringen. Auch die Grenzen in Deutschland könnte Merz derzeit mit einer Mehrheit im Bundestag sofort schließen. Das Lieferkettengesetz könnte genauso gekippt werden wie auch Prestigeprojekte wie das aberwitzige Selbstbestimmungsgesetz. Stattdessen hat er angekündigt, die CDU werde nur noch das Nötigste in den Bundestag einbringen und nur noch Gesetze, die man vorher mit der (gescheiterten) Regierung abgesprochen hat, weil man auf keinen Fall eine Mehrheit im Bundestag mit der AfD bilden wolle und auch nicht mit den Linken.
In der Debatte im Bundestag erneuerte Merz diese Brandmauer zur AfD noch einmal. Man macht bei der CDU lieber Parteipolitik statt Sachpolitik, zu groß ist die Angst, anschließend im Wahlkampf von der Presse und den anderen Parteien als Kollaborateur der „Rechten“ zu gelten. Mit Blick auf den Willen der Bürger ist es jedoch gewagt, sich frühzeitig nach links zu wenden, da eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes INSA zeigt, dass über 76 Prozent der Bevölkerung dafür sind, die illegale Migration zu begrenzen, und 49 Prozent sagen, sie wollten das – auch wenn es bedeute, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Das Volk baut die Brandmauer ab, die CDU errichtet gerade neue Etagen.
Die CDU lässt somit all jene auch potenziellen CDU-Wähler im Stich, die sie für einen Kurswechsel gewinnen will, und demonstriert gerade für alle, dass man auch nach der vorgezogenen Wahl im Februar entweder mit der SPD oder mit den Grünen oder gar mit beiden zusammen weiterregieren wird – also auch mit deren Personal, das Deutschland gerade in den Abgrund reißt.
Haldewang wird für CDU zum Wahlkampf-Problem
Dazu schlägt es aktuell hohe Wellen, dass ebenfalls in dieser Woche bekannt wurde, dass die CDU in einem Wahlkreis in Nordrhein-Westfahlen den zudem Zeitpunkt noch amtierenden Chef des Verfassungsschutzes als Bundestagskandidaten aufstellen will. Das produzierte gleich verschiedene Probleme: Zum einen wurde mit diesem Status quo die Gewaltenteilung durchbrochen, denn Thomas Haldenwang versucht gerade als Chef des Verfassungsschutzes, die Partei AfD und damit einen Konkurrenten der Partei, für die er arbeiten will, verbieten zu lassen. Hier werden die Exekutive und die Legislative in einer Person vermengt und ein echter Interessenskonflikt produziert. Passend dazu brachte eine fraktionsübergreifende Gruppe rund um den CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz noch vor der Regierungserklärung von Scholz mitten in diese Krise hinein einen AfD-Verbotsantrag bei der Bundestagspräsidentin ein, der von 112 Erstunterzeichnern im Parlament unterstützt wird. Der öffentliche Druck auf Haldenwang wirkte innerhalb von 24 Stunden, noch während der Parlamentsdebatte wurde bekannt, er lege sein Amt nieder.
Damit ist aber das Problem Haldenwang für die CDU noch lange nicht gelöst, im Gegenteil. Es schadet der CDU sehr wahrscheinlich im Wahlkampf, ihn als Kandidaten aufzustellen; die Reaktionen aus der Bevölkerung sind durchweg ablehnend und empört. Haldenwang ist für sehr viele konservative CDU-Mitglieder und CDU-Wähler ein echtes Hassobjekt, da er zusammen mit der SPD-Innenministerin Nancy Faeser gerade radikal gegen die Meinungsfreiheit in Deutschland vorgeht und auch unbescholtene Bürger ins Visier des Verfassungsschutzes geraten, sobald sie die Regierung und ihre Mitglieder kritisieren. Nicht wenige ziehen bereits Parallelen zur Stasi der DDR.
Alice Weidel nutzte dann als Vorsitzende der AfD auch ihre Redezeit im Bundestag nicht nur für eine Abrechnung mit dem noch amtierenden Kanzler und seiner grünen Gefolgschaft, sondern auch für einen Generalangriff gegen Friedrich Merz und die CDU, die Partei belohne Haldenwang für seine „übelsten DDR-Methoden“ auch noch mit einem Bundestagsmandat.
CDU hat Angst vor dem eigenen Sieg
Die CDU und vor allem auch Friedrich Merz sprechen zwar von einer Kehrtwende, die dieses Land benötigt, gleichzeitig agieren die Partei und ihr Vorsitzender mutlos und gehen auf Nummer sicher. Man ist auf der Zielgeraden ins Kanzleramt, das will niemand durch überraschende Handlungen gefährden. Die Umfragewerte der CDU zeigen mit 32,5 Prozent ein gutes Hoch, die SPD kommt nur auf 15,5 Prozent, die Grünen liegen derzeit bei 11,5 Prozent, sodass selbst dann, wenn die CDU nun Prozentpunkte an das BSW oder an die AfD verliert, sie sehr wahrscheinlich stärkste Kraft bleiben wird und Merz ins Kanzleramt einzieht. Allein die FDP muss bangen, dem neuen Bundestag noch anzugehören. Zwar hat sie das Ausscheiden aus der Regierung wieder auf 5 Prozent gehoben, ob es im Februar 2025 für den Wiedereinzug reichen wird, ist ungewiss.
Diese Sicherheit will man nun offenbar in der Parteizentrale der CDU nicht riskieren und verzichtet dafür auf umsetzbare radikale und nötige Gesetze im Bundestag. Es kostet aber Glaubwürdigkeit bei jenen, die auf einen echten Neuanfang mit der CDU gehofft haben. Ganz konkret hatte die CDU bereits den Entwurf für ein „Zustrombegrenzungsgesetz“ in den Bundestag eingebracht und geplant, diesen Vorschlag noch vor Weihnachten zur Abstimmung zu bringen. Das hat man nun abgeblasen, aus Angst, die Abstimmung mithilfe der Stimmen der AfD zu gewinnen.
Man muss sich den Vorgang wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Die größte Oppositionspartei hat einen fertig ausgearbeiteten Gesetzentwurf, um die deutschen Grenzen zu schließen, Abschiebungen zu erleichtern, die Sozialabgaben für Migranten zu kürzen und die illegale Migration insgesamt zu bekämpfen, sie hat dafür eine Mehrheit im Parlament, weil durch den Bruch der Ampel-Koalition neue Kräfte freigesetzt sind, aber sie will die Abstimmung nicht gewinnen, um nicht gemeinsam mit der AfD eine richtige Entscheidung zu fällen.
Man hat diese richtigen Dinge also nur gefordert, solange klar war, dass man die Abstimmung im Bundestag gegen die Regierung verliert. Jetzt, wo der Sieg nahe wäre, kneift die CDU. Stattdessen sagt der Oppositionsführer Merz wörtlich in die Kamera: „Ich möchte, dass wir jetzt nur noch die Dinge auf die Tagesordnung setzen, die wir vorher im Konsens zwischen Opposition und restlicher Regierung vereinbart haben – um uns alle, die Regierung und uns, davor zu bewahren, dass wir plötzlich Zufallsmehrheiten im Saal mit der AfD oder mit den Linken haben. Ich will das nicht.“
Scholz als Staatsmann ohne Staat
Olaf Scholz versuchte sich nun bei seiner Regierungserklärung im Parlament als kraftvoller Staatsmann, verwies auf internationale Beziehungen, auf sein Telefonat mit Trump, auf Absprachen mit Macron und weitere Gespräche auf EU-Ebene, es dürfe keine Beschlüsse gegen die Ukraine geben: „die Ukraine kann sich auf unser Land und unsere Solidarität verlassen“. Er positioniert sich auch gegen die Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine, mit denen man weit ins russische Gebiet kommen würde, ein klares Zugeständnis an die Friedenskräfte innerhalb seiner Partei. Er sei froh, dass er die letzten Jahre Kanzler gewesen sei und Deutschland dadurch in der Vergangenheit “besonnen” gehandelt habe. Immer wieder beschwört er “Zusammenhalt” obwohl seine eigene Regierung das Land tiefer gespalten hat, als jemals ein Kanzler zuvor.
„Ich habe …“ wird ihm als Satzbeginn zur ständigen Wiederholung, dazu Erfolgsmeldungen seiner Kanzlerlaufbahn. Offenes Gelächter und fassungslose Gesichter, als er formuliert, er sei sehr “stolz”, dass Deutschland mit seinen Finanzen so gut umgehe. Wesentliche Probleme des Landes spart er aus.
Immer wieder werden die Milliarden für die Ukraine ins Spiel gebracht, die es dringend brauche, weswegen Deutschland in die Neuverschuldung gehen muss, um bei den Sozialleistungen und den Renten nicht zum Sparen gezwungen zu sein. Die Wahlkampftaktik der SPD ist offensichtlich: Man will die CDU drängen, noch vor der Neuwahl ein paar SPD-Lieblingsprojekte wie den Inflationsausgleich für die Bürger oder die Erhöhung des Kindergeldes mitzutragen, um ihr ansonsten wahlweise vorzuwerfen, sie lasse die Ukraine oder die eigenen Bürger im Stich, nur weil man keine neuen Schulden machen will.
Merz mit Spott für Scholz und Absage an die AfD
Friedrich Merz wird die SPD möglicherweise nach der Wahl noch für eine Koalition brauchen, man muss also den Ton zwischen den Parteien bewahren, an diesem Tag setzte Merz aber zumindest am Rednerpult auf volle Konfrontation. Dass die Ampelregierung Geschichte sei, sei eine gute Nachricht. Die Rede des Kanzlers bezeichnete er als „Geisterstunde“, er lebe offenbar in seinem „eigenen Kosmos und seiner eigenen Welt“. Scholz habe seit einer Woche keine Mehrheit mehr und das sei der Zeitpunkt, an dem er die Vertrauensfrage sofort hätte stellen müssen: „Sie simulieren eine Mehrheit, die Sie nicht mehr haben.“ Einer Kooperation für Sozialgesetze vor der Wahl erteilte er in Richtung SPD eine Absage: „Sie haben hier keine Bedingungen zu stellen“ und man werde nur aus eigener Überzeugung Sachen in den nächsten Wochen mittragen. Dass Scholz zuvor stolz berichtet hatte, am Sonntag mit dem neuen US-Präsidenten Trump telefoniert zu haben, quittierte Merz mit beißendem Spott: „Donald Trump kennt Ihren Namen nur aus dem G20-Gipfel in Hamburg und glauben Sie nicht, dass Sie noch irgendeine Autorität im Weißen Haus haben, der wird sie wie ein Leichtgewicht abtropfen lassen.“
Doch nicht nur aus den Oppositionsparteien wird es für Scholz eng. In der SPD bricht gerade die Debatte aus, ob Scholz wirklich der richtige Spitzenmann ist. Er will natürlich als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen und hat die Unterstützung des durchaus einflussreichen Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich. Der Parteichef Lars Klingbeil, ein junges Nachwuchstalent, hält sich noch bedeckt. Alle wissen, dass es mit dem derzeitigen Verteidigungsminister Boris Pistorius einen viel beliebteren und kompetenten Mann in den eigenen Reihen gibt, aber Scholz will nicht freiwillig zurückweichen. Pistorius ist seit vielen Monaten im Ranking der beliebtesten deutschen Politiker auf Platz eins, Scholz steht in den Top 20 nur auf Platz 19, er fällt fast aus der Liste. Pistorius selbst hat sich noch nicht zu Wort gemeldet, aber aus dem SPD-Heimatverband von Scholz in Hamburg sind zwei Abgeordnete vorgeprescht und fordern öffentlich Pistorius als neuen Kanzlerkandidaten der SPD. Sobald Scholz am 11. Dezember die Vertrauensfrage im Bundestag stellt und der Bundespräsident das Parlament auflöst, erwarten viele Beobachter, dass Scholz am Ende ist. Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand der Königsmörder sein will ist Scholz bereits „Dead Man Walking“.
Verrutschte Maßstäbe aus Sicht der Bürger
Die Bürger quittieren die Untätigkeit der Parteien zunehmend mit Unverständnis, zumal sich die Zustände im Land zunehmend verschärfen. Erst vor wenigen Tagen wurde (wieder einmal) durch Hinweis des amerikanischen Geheimdienstes in Norddeutschland ein 17-jähriger deutsch-türkischer Islamist festgenommen, der geplant hatte, mit einem LKW in einen Weihnachtsmarkt zu fahren. Es ruft Erinnerungen wach an den Islamisten-Anschlag aus dem Jahr 2016 auf dem Weihnachtsmarkt des Berliner Breitscheidplatzes, bei dem der illegale Einwanderer Anis Amri mit seinem LKW 12 Menschen tötete. Gerade beginnt wieder die Weihnachtsmarkt-Saison in Deutschland. In manchen Städten gleichen die Absperrungen, die es seit 2016 gibt, einem Hochsicherheitstrakt. Betonklötze und Zäune sichern seither Deutschlands Weihnachtsmärkte vor islamistischen Anschlägen, während die Außengrenzen des Landes offen bleiben. Das versteht bald niemand mehr.
Die Maßstäbe im Land verrutschen zunehmend. Während jeden Tag rund 600 Menschen illegal einreisen und selbst abgeschobene Schwerverbrecher zurückkehren und erneut Asyl beantragen, stürmte die Polizei diese Woche im Morgengrauen das Haus eines älteren Herren, weil er im Internet ein Bild geteilt hat, auf dem der amtierende Wirtschaftsminister Robert Habeck als „Schwachkopf“ beleidigt wird. Die Staatsanwaltschaft hatte das als „Volksverhetzung“ gewertet, seinen Computer beschlagnahmt und nun ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Hausdurchsuchungen und Polizei-Verhöre wegen Meinungsäußerung gegen ein Regierungsmitglied und sofort setzt sich die ganze Härte der Polizei gegen Bürger in Bewegung, aber Untätigkeit bei Kriminalität illegaler Migranten. Das ist sozialer Sprengstoff für eine bereits tief gespaltene Gesellschaft. Ein besseres Wahlgeschenk kann die CDU der AfD für den kommenden Wahlkampf nicht machen, als dass sie sich jetzt schon festlegt, auch weiterhin nur mit linken Parteien koalieren zu wollen.